- Friedensnobelpreis 1987: Oscar Arias Sánchez
- Friedensnobelpreis 1987: Oscar Arias SánchezDer costaricanische Politiker wurde als Initiator eines Friedensplans für das von Bürgerkriegen erschütterte Mittelamerika ausgezeichnet.Oscar Arias Sánchez, * Heredia 13. 9. 1941; Staatswissenschaftler und Politiker, seit seiner Jugend Mitglied der »Partei der Nationalen Befreiung« (PLN), 1969-72 Dozent an der Universität von Costa Rica, 1972-77 Minister für Planung und Wirtschaft, 1979 Generalsekretär der PLN, 1986-90 jüngster Staatspräsident in der Geschichte seines Landes, Gründer der Arias Foundation for Peace and Human Progress (1988).Würdigung der preisgekrönten LeistungDie Landbrücke, die den Norden mit dem Süden Amerikas verbindet, war seit dem Ende der spanischen Kolonialherrschaft in Lateinamerika häufig Schauplatz von Kriegen, Bauernaufständen und Militärputschen. Jahrzehntelang tobten in Guatemala nach der Unabhängigkeitserklärung im September 1821 blutige Machtkämpfe zwischen Konservativen und Liberalen, 1932 wurden in El Salvador bei einer Rebellion annähernd 30 000 Bauern von der Armee niedergemetzelt, in Nicaragua machte die Nationalgarde in den 1930er-Jahren gnadenlos Jagd auf die Anhänger Augusto César Sandinos, des Freiheitskämpfers und Anführers der Arbeiter- und Bauernfraktion. ..Im Allgemeinen blieben die blutigen Konflikte auf einzelne Unruheherde beschränkt, da die Vereinigten Staaten ein großes Interesse daran hatten, dass in der für die USA geopolitisch und wirtschaftlich äußerst wichtigen Region Ruhe und Ordnung herrschten. Und um dieses Ziel zu erreichen, setzte die Regierung in Washington zwei bewährte Strategien ein: die »Dollardiplomatie« und die »Politik des großen Knüppels«. Regime, die den in Mittelamerika tätigen US-Konzernen Vorrechte gewährten, erhielten großzügige Finanzhilfen; wenn der Dollarsegen nichts bewirkte, scheuten die USA aber auch vor Militäreinsätzen nicht zurück wie 1909, als Marineinfanteristen in Nicaragua landeten und den größten Staat auf der mittelamerikanischen Landbrücke bis 1926 besetzten.Der FlächenbrandDieser Wechsel von Zuckerbrot und Peitsche sorgte bis in die 1960er-Jahre hinein in Mittelamerika für weitgehende politische Stabilität, eine Stabilität freilich, unter der beispielsweise in El Salvador die »14 Familien« der reichen Oberschicht oder der Somoza-Clan in Nicaragua die Bevölkerung im Stil einer klassischen Bereicherungsdiktatur ausbeuten konnten. Nach der erfolgreichen Revolution in Kuba entstanden aber auch zwischen Mexiko im Norden und Panamá im Süden bald linksgerichtete Gruppen, die auf den Umsturz hinarbeiteten: schon früh in Guatemala, dann in El Salvador und Nicaragua. Der Kampf zwischen den Regierungstruppen und den linken Guerillaorganisationen wurde mit äußerster Brutalität und meist auf dem Rücken unbeteiligter Zivilisten ausgetragen. Als dann die alten Diktatoren verjagt und die Machtpositionen von den Revolutionären übernommen worden waren, steigerten sich die einzelnen Kriege zum Flächenbrand, der auf alle fünf Staaten im Zentrum der Landbrücke übergriff. Compas kämpften gegen Contras, jeweils ideologisch und materiell unterstützt von den Kontrahenten des Kalten Kriegs, denn längst hatten sich die Bürgerkriege in Mittelamerika zu Konflikten mit weltpolitischen Dimensionen entwickelt.In den 1980er-Jahren wurden mehrmals Versuche unternommen, die Gegner an den Verhandlungstisch zu bringen, etwa durch eine Friedensinitiative der so genannten Contadora-Staaten Venezuela, Kolumbien, Mexiko und Panamá. Sie scheiterte jedoch, wohl nicht zuletzt, weil die US-Regierung Zweifel an der Neutralität der Vermittler hegte. Costa Rica galt dagegen im Konfliktherd Mittelamerika eher als ein Verbündeter der USA, als ein Land mit langer demokratischer Tradition und einer gesellschaftlichen Oberschicht, die zum Sieg des Sozialismus gewiss nicht beitragen wollte. Aus eben dieser Schicht stammt Oscar Arias Sánchez, Sohn einer der reichsten Kaffeepflanzerfamilien Costa Ricas, der außerdem aus seiner Studienzeit enge persönliche Bindungen nach Großbritannien und in die USA besitzt und sich, wie es heißt, nach einem Gespräch mit US-Präsident John F. Kennedy entschlossen hat, sein ursprüngliches Berufsziel (Arzt) aufzugeben und wie sein Vorbild die politische Laufbahn einzuschlagen.Costa Rica blieb zwar vom Bürgerkrieg im eigenen Land weitgehend verschont, war allerdings als Nachbar Nicaraguas vom Konflikt betroffen. Die nicaraguanischen Contras benutzten das Land als militärische Basis, tausende von Flüchtlingen strömten über die Grenze und brachten die Wirtschaft der als »Schweiz Mittelamerikas« gerühmten Republik an den Rand des Zusammenbruchs. Es konnte folglich nur im Interesse Costa Ricas sein, Frieden zu stiften. Arias Sánchez stellte dieses Ziel im Wahlkampf um das Präsidentenamt klar in den Vordergrund, gewann als »Kandidat des Friedens« die Wahlen und ging unverzüglich daran, die Staatschefs der mittelamerikanischen Staaten, die Führer der Guerillaorganisationen und schließlich auch die US-Regierung von seinem Friedensplan zu überzeugen. Die wichtigsten Ziele der Initiative, die am 7. August 1987 von den Präsidenten der mittelamerikanischen Staaten angenommen wurde, waren die Befriedung der Region durch Demokratisierung in allen Ländern, Einhaltung der Menschenrechte und Einstellung jeglicher Hilfe für die bewaffnete Opposition. Im Herbst desselben Jahres wurde Arias Sánchez für seinen Einsatz mit dem Friedensnobelpreis geehrt.Kriege im VerborgenenAls der costa-ricanische Staatspräsident den Friedensnobelpreis erhielt, war Mittelamerika von einem dauerhaften Frieden noch weit entfernt. Überall dauerten die bewaffneten Auseinandersetzungen bis in die 1990er-Jahre an; in Guatemala wurde der jahrzehntelange Bürgerkrieg, der bis dahin auf beiden Seiten schätzungsweise 150 000 Todesopfer gefordert hatte, erst im Dezember 1996 durch ein Friedensabkommen offiziell beendet.Und auch heute geht der Kampf zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen hinter der friedlichen Kulisse weiter. In El Salvador führen Terrororganisationen mit so bezeichnenden Namen wie »Sombra Negra« (»Schwarzer Schatten«) weiterhin »soziale Säuberungen« durch; regimetreue Zeitungen und Radiostationen rufen in Nicaragua unverhohlen zum Mord an Menschenrechtlern auf; Mitglieder von Todesschwadronen ließen in den 1980er-Jahren in Honduras hunderte von Menschen »verschwinden«, und noch immer sind sie nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Tausende, die in ihrer Kindheit als »Kindersoldaten« nur das Kriegshandwerk erlernt haben, setzen nun die Schlacht auf ihre Weise fort, bestreiten den Lebensunterhalt mit Raubüberfällen und Entführungen. Waffen gibt es genügend: Allein in Nicaragua sollen aus Bürgerkriegszeiten noch mehr als 400 000 Schnellfeuergewehre im Umlauf sein.Oscar Arias Sánchez ist davon überzeugt, dass ein echter Frieden in Mittelamerika auf Dauer nur möglich sein wird, wenn es gelingt, die krassen sozialen Gegensätze in den Staaten der Region zu beseitigen. Seit dem Ende seiner Amtszeit als Staatspräsident widmet er sich deshalb ganz der Arbeit in der von ihm gegründeten »Arias-Stiftung für Frieden und Fortschritt der Menschheit«. Das Ziel dieser Stiftung ist der Aufbau einer gerechten und friedlichen Gesellschaft in Mittelamerika, und dazu gehören in erster Linie die gerechtere Verteilung von Grund und Boden und die Respektierung der Menschenrechte.P. Göbel
Universal-Lexikon. 2012.